Pierre Kartner ("Vader Abraham") verstorben

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Andreas Köhne
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Pierre Kartner ("Vader Abraham") verstorben

Beitrag von Andreas Köhne »

Nach einer aktuellen Meldung verstarb der niederländische Sänger, Komponist, Texter und Produzent Pierre Kartner am 08. November 2022 im Alter von 87 Jahren.

Unter seinem Pseudonym "Vader Abraham" feierte er zahlreiche Erfolge, als Beispiele seien "Kleine Fische werden groß", "Die kleine Kneipe" (vor allem bekannt in der Fassung von Peter Alexander, das Original "In 't kleine café aan de haven" sang er selbst) und sein wohl größter Hit "Das Lied der Schlümpfe" genannt.

Der volle bürgerliche Name des am 11. April 1935 geborenen Künstlers lautete Petrus Antonius Laurentius Kartner.

Möge er in Frieden ruhen!!
Andreas Köhne
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Re: Pierre Kartner ("Vader Abraham") verstorben

Beitrag von Andreas Köhne »

Vader Abraham – mehr als nur die „Schlümpfe“

Unter dem bürgerlichen Namen Petrus Antonius Laurentius Kartner wurde Vader Abraham am 11.
April 1935 geboren. Die Wiege des niederländischen Künstlers stand auf dem Bahnhof von Elst, wo
sein Vater Bahnhofswärter war. Ursprünglich stammte die Familie aus Österreich, der Urgroßvater
machte sich um 1820 in Wien als Troubadour einen Namen.

Im Alter von acht Jahren nahm Pierre, so sein Rufname, mit dem Schlager „Ik wou dat ik een krekel
was“ an einem Gesangswettbewerb des Senders „AVRO-Radio“ teil und gewann prompt den ersten
Preis. Das Gitarren-, Klavier- und Baßspiel brachte er sich selbst bei.

Nach der Schule absolvierte er auf väterlichen Wunsch hin eine Ausbildung zum Konditor, zugleich
lernte er an der in Breda ansässigen Akademie St. Joost Zeichnen und Porträtieren. Während der
anschließenden Militärzeit gründete Pierre Kartner mit zwei Kameraden das Trio „The Headlines“,
welches er später in „The Lettersets“ umbenannte. Unter diesem Namen erschienen erste
Schallplatten, Addy Kleijngeld hatte ihnen zu dem Vertrag verholfen. Die Texte des Repertoires
hatte Pierre Kartner größtenteils selbst verfaßt. Ungeachtet dieser Tatsache und verschiedener
Fernsehauftritte führten unterschiedliche musikalische Vorstellungen zur Auflösung der Formation.
Gemeinsam mit seiner Frau Annie, die er zu jener Zeit kennengelernt hatte, führte er in Zetten einen
Imbißstand. Nebenher gelang es ihm, das eine oder andere Lied aus eigener Feder an einen Verleger
zu verkaufen, doch seinen musikalischen Ambitionen gab dies keine neuen Impulse. Es folgte der
Umzug nach Antwerpen, wo Pierre Kartner eine Anstellung in einer Süßwarenfabrik fand. Nach wie
vor schuf er Songs, doch auch in Belgien zeigte niemand Interesse. Erst in seinem nächsten
Wohnort Lichtaart sollte sich das Blatt wenden. Hans Kellerman sorgte für den Kontakt zur
Schallplattenfirma „Negram“, die den auch hier einen Imbißstand und zudem eine Tankstelle
betreibenden Pierre Kartner als Promotionmann arbeiten ließ. Bald gelangte ein erstes Album in den
Handel, als Pseudonym diente sein Rufname Pierre. „Ik vil nog even met je praten“ (übersetzt „Ich
will noch eben mit dir reden“) fand jedoch ebensowenig Beachtung wie die nachfolgenden Platten.
1967 kehrten die Kartners in die Niederlande zurück, in Breda hielt sich der spätere Star mit
Gelegenheitsjobs über Wasser. Zu Beginn der 70er Jahre moderierte er beim Piratensender „Radio
Veronica“ Sendungen.

Nach wie vor gab Pierre Kartner seine musikalischen Ambitionen nicht auf, auch die Aussage des
„EMI-Bovema“-Direktores Ger Oord, der ihm keinerlei Talent bescheinigte, ließ ihn nicht den Mut
verlieren. Die Mühe sollte sich auszahlen. Aus einer Amsterdamer Telefonzelle stellte er den
Kontakt zu „Dureco“-Produzent Arnie de Reuver her und fragte, ob Interesse an einem Zusammentreffen
bestehe. De Reuver stimmte zu und kurz danach kam unter „Lord Vanhoop“ das Stück „Bij
Lily Marllen kijk je zomaar bloor haar kanten bloesje heer“ („Bei Lily Marleen schaut man einfach
durch ihre Spitzenbluse hindurch“) auf den Markt – der Durchbruch war geschafft. In der Folgezeit
produzierte Pierre Kartner verschiedene Interpreten und brachte Singles heraus, für die er Künstlernamen
wie „Pierre Kartner“, „Rood-Wit-Blauw Trio“, „De Aardmannetjes“, „Nol en Marie“ oder
„Duo X“ verwendete. Besonders die „Duo X“-Tonträger gelangten zu ansehnlichen Erfolgen.
Sein bekanntestes Pseudonym verdankte er dem Karneval. Niemand wollte sein Lied „Vader
Abraham hat zeven zonen“ („Vater Abraham hat sieben Söhne“) singen, also machte er aus der Not
eine Tugend und brachte es, als biblischer Abraham verkleidet, selbst zu Gehör. Die ernorme Resonanz
führte zu der Entscheidung, fortan nur noch unter diesem Namen aktiv zu sein.
1971 avancierte das im Duett mit der damals 13-jährigen Wilma Landkroon eingespielte „Zou het
erg zijn lieve Opa“ („Wäre es schlimm, lieber Opa“) zu einem Nr. 1-Hit in den Niederlanden.

Zwei Jahre danach erreichte Ben Cramer mit der Vader-Abraham-Komposition „De oude muziekant“
(„Der alte Musikant“) Platz 14 beim „Eurovision Song Contest“.
1976 avancierte „In het kleine Café aan de haven“ („In dem kleinen Café am Hafen“) in Vader
Abrahams Heimatland zu einem weiteren großen Erfolg. Eine von Joe Dassin interpretierte
französischsprachige Fassung kletterte in Frankreich, Australien und Neuseeland bis auf Platz 1. In
englischer Sprache wurde das Stück von Davey Arthur And The Fureys zu Gehör gebracht. Auch
Peter Alexander war das Glück hold. Seine Versionen „Die kleine Kneipe“ und „Das kleine Beisl“
gelangten in Deutschland und Österreich auf Spitzenplätze der Hitlisten.
Seinen internationalen Durchbruch verdankte Vader Abraham den „Schlümpfen“. Harry Thomas,
der Organisator des Kerkrader Schlagerfestivals, suchte im Mai 1977 ein Lied für einen Zeichentrickfilm,
deren Hauptcharaktere die „Schlümpfe“ waren. Per Telefon vereinbarten beide einen
Termin und Harry Thomas brachte den Film mit nach Breda. Vader Abraham komponierte das gewünschte
Lied, die bei „Dureco“ gepreßte Erstauflage umfaßte 1.000 Singles. Die Präsentation des
Stückes auf dem Schlagerfestival sorgte dafür, daß die Schallplatten an nur einem einzigen Tag
verkauft wurden, obwohl die Presse das Lied verriß. In Rekordzeit konnten allein in den Niederlanden
400.000 Singles verkauft werden. Die LP „In Smurfenland“ („Im Land der Schlümpfe“)
erreichte einen Absatz von 500.000 Stück. Vader Abraham spielte seinen Hit nun auch in deutscher
(„Das Lied der Schlümpfe“), englischer („The Smurf Song“), französischer, spanischer und
japanischer Sprache ein und gab in der Folgezeit Konzerte in unzähligen Ländern. Im Mai 1983 trat
er vor 150.000 Zuhörern in einem mexikanischen Park auf. Mehrfach erreichte „Das Lied der
Schlümpfe“ Goldstatus, darunter in Deutschland und Großbritannien. Auch die LP fand in mehreren
Ländern großen Anklang. Spätere Versuche des Künstlers mit den „Wuppies“ und den „Funny
Puppies“ führten trotz hörenswerter Songs nicht zu einer Fortsetzung der Erfolgskette. Auch das
1991 veröffentlichte Album „Neue Lieder aus dem Schlumpfenland“ (Dino Music LP 9030470)
blieb leider weitgehend unbeachtet.

In den 80er und 90er Jahren blieb Vader Abraham ein gefragter Songschreiber, während seiner
langen Karriere schrieb er für Künstler wie Ireen Sheer („Heut' abend hab' ich Kopfweh“), Elfi Graf
(„Am schönsten ist es zu Hause“), Nana Mouskouri („Draußen vor der Tür“), Heino („Mary Rose“,
„So'n alter Schunkelwalzer“) oder Sieneke („Sha-la-lie“). Peter Orloff nahm mit den „Schwarzmeer
Kosaken“ sein „Tussen kroegen en kerken“ unter dem deutschen Titel „Zwischen Kirche und
Kneipe“ ebenso erfolgreich auf wie Teddy Parker (später auch Eberhard Hertel) „Kleine Fische
werden groß“ oder Bruce Low „Du willst alt werden“. Vader Abraham hatte die letztgenannten
Stücke ursprünglich auch selbst in deutscher Sprache eingesungen. 1990 steuerte er zur Zeichentrickserie
„Die Mumins“ das Titellied bei. Bis 1998 erreichte der vielseitige Künstler als Interpret
nicht weniger als 50-mal die Hitlisten und ließ damit sogar Weltstars wie die „Bee Gees“, Elton
John oder „Queen“ hinter sich! Rechnet man die Plazierungen als Komponist, Texter und Produzent
hinzu, kommen sogar mehr als 100 Notierungen zusammen!

In seiner Laufbahn erhielt Vader Abraham unzählige Auszeichnungen. Belgien verlieh ihm „De
Gouden Leeuw“ als populärster Künstler des Jahres 1977, aus Deutschland bekam er 1978 den
Bronzenen Löwen von Radio Luxemburg und ein Jahr später die „Goldene Europa“. Sein
Heimatland ehrte ihn mehrfach, so 1973 mit „De Edith Piaf prijs“, 1974 mit „De Edison“, 1992 mit
„De Zilveren Haring“ oder 2000 mit dem Titel „Ridder in de orde van de Nederlandse Leeuw“.
Darüber hinaus wählten ihn England und Mexiko 1977 bzw. 1983 zum beliebtesten Künstler des
jeweiligen Jahres.

Seine Schallplattenerfolge brachten ihm insgesamt 128 Goldene Schallplatten als Komponist sowie
57 Goldene und Diamantene Schallplatten mit den „Schlümpfen“ ein.

- Andreas Köhne -
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