Sonny Appleday/Sonny Chriss/Bernard Henrion

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waelz
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Sonny Appleday/Sonny Chriss/Bernard Henrion

Beitrag von waelz »

Sonny Appleday, durchschnittlicher Sänger, überdurchschnittlicher Produzent
Sonny Appleday hat unter drei Namen zwischen 1968 und 1976 rund ein Dutzend Singles veröffentlicht. Appleday ist Schweizer mit belgischen Wurzeln. Sein grösster Erfolg als Sänger war "Dü-tü-tü-dü-tü-tü-dü", das 1971 in sechs Ländern veröffentlicht wurde. Nach seiner Karriere als Sänger gründete er die Schallplattenfirma "Gold Records", die verschiedenen Schweizer Künstlern als Startrampe zu einer nationalen Karriere diente.

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Sonny Appleday war Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre omnipräsent in den Schweizer Medien. Mit seiner "Apple-Show" brachte er neuen Wind in die sklerotische Showszene. Seinem Künstlernamen folgend hatte er begonnen, bei jedem Auftritt zehn Kilo Äpfel unter die Zuschauer zu verteilen. Jeder Apfel war fein säuberlich beschriftet mit "From Sonny Appleday with Love". 1969 erschien mit "My Crazy World" die erste Single unter dem Namen Sonny Appleday. Es handelte sich dabei um eine englische Version des Mary Roos-Titels "Das hat die Welt noch nicht erlebt". Die Nummer lag neben dem Geschmack der Zeit und verkaufte sich dementsprechend mager.

Apfel-Show und "Apple-Tree-Rock"
Erst zwei Jahre später -im Zenith des Erfolges der "Apfel-Mania"- kam "Apple Tree-Rock", das Thema-Lied, auf Platte heraus. Die Nummer wurde 1971 erst in der Schweiz und später in fünf weiteren Ländern, darunter vor allem Holland und Deutschland, veröffentlicht. Die Plattenfirma schrieb damals: "Eine raffinierte, in "heissen" südamerikanischen Rhythmen eingebettete Beatnummer mit eingängigem Refrain". Die Apfel-Show wurde von cleveren Agenten als Antibiotikum gegen das Serbeln der Beatschuppen angeboten. Ein cleveres Marketing, das Appleday Tourneen durch die schweizerischen und deutschen Klubs einbrachte. In der Schweiz setzte die Landwirtschaft den "Apple-Tree-Rock" in einem Werbespot ein, mit dem sie den Absatz von Äpfeln fördern wollte.

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B-Seite "Dü-tü-tü-dü-tü-tü-dü" wird ein Hit
Der "Apple Tree-Rock" war omnipräsent, die Promotion total. Aber: Zum Hit entwickelte sich die B-Seite, das fröhliche "Dü-tü-tü-dü-tü-tü-dü". Appleday wurde vom Erfolg der Nummer überrollt. Er war eine Einmannfirma, er schrieb die Songs selber, er produzierte sich selbst und war sein eigener Manager. Die Nachfrage an der Plattenfront, die Flut von Anfragen für Auftritte überstiegen seine Kräfte. Im Zeichen des Erfolges zeigte sich, dass er sich verzettelt hatte und deshalb an den Brennpunkten nicht genügend präsent sein konnte. "Ich hätt damals jemanden gebraucht, der mich hätte beraten können. Auch in künstlerischen Fragen", sagt er rückblickend. Er brachte keine Nachziehersingle zu "Dü-tü-tü-dü-tü-tü-dü" heraus und verpasste den Anschluss an neue Entwicklungen im Livebereich.

Hit in Spanien als Komponist
Appleday spürte, dass die "Apfelzeit" den Höhepunkt überschritten hatte. Er wollte sich ein neues Image zulegen und ging zurück an den Beginn seiner Karriere, weg vom englischen Pop, hin zum französischen Chanson. Damit hatte er 1970 grosse Erfolge als Komponist gefeiert. Der Schweizer Nachwuchssänger George Metro sang seinen Titel "Partir, c'est mourir un peu". Die Nummer floppte in der Schweiz. In Spanien allerdings wurde sie für Jaime Morey zu einem Hit. Dieser Erfolg veranlasste ihn, sein Image Richtung Chanson zu verändern. Erst folgte ein Versuch, im Duett mit der Sängerin Jacqueline Midinette, mit der er öfter auftrat, und dann folgten bis Ende 1972 zwei Solosingles auf Französisch. "Jolie Marie-Claire" erschien auf Metronome und sollte die letzte französische Nummer sein.
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Das Lied wurde ein Jahr später bei BASF als "Hey Marie-Claire" veröffentlicht. BASF produzierte drei Singles mit Sonny Appleday, deren Verkäufe die Erwartungen nicht erfüllten. Mitte der 70er Jahre zeichnete sich das Ende der Karriere ab. Zwar kam 1975 bei "m-records" noch die Single "Onkel Karl hat eine Farm" heraus. Danach zog sich Appleday auf den heimischen Markt in die Schweiz zurück.
Dort in St.Gallen, seiner Heimatstadt, hatte die Karriere des Sonny Appleday alias Bernard Henrion ihren Anfang genommen. Während der Ausbildung zum Kaufmann begann er Gitarre zu spielen und unterhielt die Gäste in den umliegenden Gasthäusern. 1968, nach Abschluss der Lehre, nahm er auf eigene Kosten eine EP mit vier selbstgeschriebenen Titeln auf. 1000 Exemplare liess er pressen, die er an seinen Konzerten in Kneipen und Vereinsheimen verkaufte. Im gleichen Jahr erschien auf dem Indie-Label "Eurex" Henrions zweite Single "Träume der Liebe". Kurze Zeit später zog Henrion nach Zürich, wo er die Idee zu seiner "Apfel-Show" hatte und sich fortan Sonny Appleday nannte. Von hier aus eroberte er erst den nationalen Markt und ab 1971 war er auch international erfolgreich. Fünf Jahre später war er wieder dort, wo er aufgebrochen war, im kleinen Schweizer Markt. Die "Appleday"-Aera war gescheitert. Noch einmal versuchte er einen Neustart. Diesmal unter dem Pseudonym Sonny Chriss. Der Anlauf war halbherzig, weshalb die Single "The Night" keine Käufer fand. Appleday zog sich 1976 von der Bühne zurück. Ein Jahr später gründete er das Label "Gold Records". Eine seiner ersten Entdeckungen war der Sänger "Nöggi", dem er zu nationalem Ruhm verhalf.

"War nie ein Stimmbandrastelli"
Die Karriere des Sängers Sonny Appleday blieb Stückwerk. Es fehlte an Konstanz. Die Plattenproduktionen wurden zu oft an aktuelle Trends angehängt und blieben als "me-too"-Produkte unbeachtet. Als glänzender Promotor waren Appleday oft kurzfristige Erfolge wichtiger als eine langfristige Strategie. Kam hinzu, dass er stets alle Fäden in seiner Hand wissen wollte und damit nicht über die nötigen internationalen Kontakte verfügte, um in den verschiedenen Märkten vor Ort zu sein, als "Dü-tü-tü-dü-tü-tü-dü" international abging. Gleichzeitig managte er das in der Schweiz erfolgreiche Geschwisterpaar "Pony Sisters", das Ende der 60er Jahre Bestandteil der erfolgreichsten Schweizer Beatband "les Sauterelles" war. Der jüngeren Schwester, die damals seine Freundin war, verschaffte er 1971 einen Plattenvertrag. Als Vera Wälle durfte sie mit dem Titel "Alles Theorie" sogar in der ZDF-Hitparade auftreten. Seiner Karriere als Sänger trauert Henrion nicht nach: "Ich war nie ein Stimmbandrastelli und fühlte mich nie als Sänger, sondern als Produzent, als Macher." Die spätere Karriere erhärtet seine Aussage: Als durchschnittlicher Sänger wurde er ein überdurchschnittlicher Produzent, der in den 80er und 90er Jahren manchem jungen Schweizer zu dessen ersten Hitparadenehren verhalf.
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