Ulla Nielsen: Herausragende Komponisten, kein herausragender Hit
Ulla Nielsen ist für die deutsche Popgeschichte aus zwei Gründen interessant: Sie hatte erstens ihr Debüt mit einem Auftritt im Film „Freddy und der Millionär“. Sie interpretierte darin die Originalversion von „Ich – dich lieben“. Der Titel wurde später in einer Version von Mamie van Doren im Film „Freddy und das Lied der Prärie“ ein zweites Mal verwendet. Sie war zweitens 1964 Mitglied des deutschen Teams am Knokke Songfestival. Die besten Komponisten und Produzenten betreuten die Sängerin während ihrer Plattenkarriere. Hits blieben aus. Ulla Nielsen verliess Ende der 60er Jahre Deutschland und das Musikgeschäft. 2004 kehrte sie zurück und ist heute im Duo wieder als Sängerin im Raum Essen aktiv.
Von Wälz Studer (copyright memoryradio/wälzstuder)
Die besten Komponisten und Produzenten ihrer Zeit strickten an der Karriere der Ulla Nielsen: Lotar Olias oder James „Hans“ Last. Sie fanden die richtige Masche nicht, die zum Erfolg in der Hitparade geführt hättte. Die junge Essenerin betrat am 19. Dezember 1961 das Schaugeschäft auf dem roten Teppich. Im Fim „Freddy und der Millionär“ sang sie das Lied „Ich – Dich Lieben“, das einen Weltrekord im Dauertanzen begleitet. Ulla Nielsen wird dabei im Vorspann mit Namen und Liedtitel separat erwähnt. Im Film allerdings ist sie nicht zu sehen. Ulla Nielsen konnte aus familiären Gründen nicht zu den Drehs nach Italien fliegen.
Die Single „Ich – Dich Lieben“ mit der Rückseite „Jonny Wo Bist Du“ erschien Ende 1961 auf dem Polydor-Label. Beide Titel sind von Lotar Olias, dem Macher von Freddy, komponiert. Die Platte verkaufte sich schleppend, obwohl die junge Frau umgehend in eine grosse Schlagertournee integriert wurde. Interessanterweise veröffentlichte die französische Sängerin Micky Amline ein Jahr später mit „Ça passe le temps“ eine französische Version von „Ich – Dich lieben“. Auch diese enterte keine Hitparade. Lotar Olias baute die Nummer 1964 in den Film „Freddy und das Lied der Prärie“ nochmals ein. Diesmal interpretierte Mamie van Doren den Song in einem Western-Saloon und war dabei mit Band während des ganzen Songs zu sehen. Es wird das originale Arrangement von Ulla Nielsen verwendet. Mamie van Doren singt den Titel auf englisch. Ihre Version wurde offenbar nie auf Single veröffentlicht.
Ursula Richter (geboren als Ursula Freitag) war 23 Jahre alt und hatte bereits einen sechs Jahre alten Sohn, als sie bei Lotar Olias vorsang. Sie hatte mit 15 ihren ersten Mann bei einem Tanzcafé kennengelernt. Er spielte Schlagzeug in der Band. Bald war Ulla Nielsen die Sängerin der Band. Jahrelang tingelten die beiden im Raum Essen. Anfangs der 60er Jahre vermittelte ein Rechtsanwalt den Kontakt zu Lotar Olias. Offensichtlich hielt dieser grosse Stücke auf die blonde junge Frau. Er verschaffte ihr einen Plattenvertrag mit Polydor und einen Auftritt in seinem aktuellen Freddy-Film. Die Polydor verpasste ihr den Künstlernamen Ulla Nielsen, weil sie mit ihren blonden Haaren an eine skandinavische Herkunft erinnerte. „Eigentlich dachten meine Plattenleute, es sei ein schwedischer Name. Erst Jahre später hat mir einer meiner Söhne gesagt, dass der Name dann Nilson hätte lauten müssen“, sagte die Künstlerin im Gespräch. Drei Singles erschienen in den folgenden anderthalb Jahren auf Polydor, von denen keine grössere Aufmerksamkeit erregte.
Ende 1963 nahmen Heinz Alisch und Horst Jankowski die Künstlerin unter ihre Fittiche. Damit verbunden war ein Wechsel zu Decca. Dort erschienen bis Anfang 1965 vier Singles. Darunter findet sich eine der fünf westdeutschen Coversionen von „Sole Sole“. Die Nummer wurde in Berlin mit dem dort nicht unbekannten Sänger und Gitarristen Uwe Grimm eingespielt. Das Duo Nielsen/Grimm hatte gegen die Version von Malmkvist/Marcato keine Chance, genauso wenig wie auch Nana Gualdi, Margot Eskens oder Vivi Bach/Dietmar Schönherr. „Sole Sole“ war die erste Coverversion, die Nielsen aufnahm. Kurze Zeit später sang sie mit „Morgen hast du keine Sorgen“, eine weitere Covernummer ein. Es handelt sich um die deutsche Version der Orbison-Nummer „Today’s Teardrops“. Der Titel ist nur auf dem „Decca“-Sampler „Die grosse Star- und Schlagerparade 1964- Ausgabe 2“ zu finden. Vermutlich deshalb, weil eine Version von Anna-Lena bereits früher auf den Markt gekommen war. Die Erfahrungen aus dem „Sole Sole“-Cover waren wohl nicht dazu angetan, in Konkurrenz eine Coversingle aufzulegen.
Sommer 64: Teilnahme am Knokke-Cup
Im Juli 1964 startete Ulla Nielsen gemeinsam mit Peter Beil, Rosemarie Gongolsky, Sven Jenssen und Ria Bartok am Songfestival von Knokke. Nielsen erinnert sich, dass sie einen deutschen und einen internationalen Titel gesungen hat. „Als internationalen Titel habe ich wohl „Besame Mucho* gewählt“, sagt sie. Insgesamt schnitt das deutsche Quintett enttäuschend ab. Es schaute der zweitletzte Rang heraus. Den drei Damen aus dem Team war allesamt nur kurzes Scheinwerferlicht vergönnt. Ulla Nielsen, Ria Bartok und Rosemarie Gongolsky verschwanden nach 1967 aus der Öffentlichkeit. Bartok feierte 1964 mit „Et quelque chose me dit „ ihren grössten Erfolg in Frankreich. 1967 gab sie ihr letztes öffentliches Konzert.
Ulla Nielsen veröffentliche 1965 die letzte Single auf Decca. Produzent war Horst Jankowski. Bei ihm trat sie gemeinsam mit Claus Wilcke und Inge Brück in der TV-Sendung „Vier und ein Klavier“ auf. Der Vertrag mit Decca lief 1965 aus. Die Sangeskarriere stockte. Hinzu kamen private Schwierigkeiten. Ulla Nielsen fühlte sich alleingelassen. Heinz Alisch verschaffte ihr 1966 einen Vertrag mit der Telefunken. Im Januar 1966 wurde die Single „Im roten Licht/Verzeih mir die Tränen„ in Berlin aufgenommen. Sie sollte einen Neustart bringen für die Sängerin. Deshalb prangte auf dem Cover der bürgerliche Name „Ulla Richter“. Das Comeback gestaltete sich halbherzig.
In jener Zeit hatte ihr ein Agent einige Auftritte in England besorgt. Dabei lernte sie ihren heutigen Mann kennen. Da Ulla Nielsen nicht mehr an eine Karriere im Musikgeschäft glaubte, brach sie die Zelte in Deutschland ab und emigrierte nach England, wo sie heiratete und Mutter wurde. Sie betätigte sich später im Modegeschäft. Gesungen hat sie nach ihrem Umzug in England nicht mehr. Vor rund zehn Jahren kehrte Ulla Richter in die Nähe von Essen zurück. Hier keimte ihre Liebe zur Musik neu auf. Seit einiger Zeit macht sie im Duo mit Werner Heinrichs auch wieder Musik. Sie tritt regelmässig im Raum Essen auf. „Erst jetzt merke ich, wie sehr mir die Musik in England gefehlt hat“, fasst sie abschliessend das Gespräch zusammen.
Diskografie
Ulla Nielsen
Polydor
12/61 24 708
Ich - dich lieben (Colpet/Olias) (aus Freddy und der Millionär)
Jonny wo bist du (Olias/Walter Rothenburg)
09/62 24 859
Leider war es nicht Amore (Olias/Loose)
Zum ersten Mal (Hans Last/Fritz Skokann)
1963 24 962
Ich möchte ausgeh'n (Hans Last/Fritz Skokann)
Ich hab' Sehnsucht (Lotar Olias/Kurt Schwabach)
Decca
1963 19 508
Serenade für einsame Herzen (Heinz Alisch/Walter Richter)
Remember my Darling (Rudolf Maluck/Klaus Munro
01/64 19 526
Sole, Sole, Sole (Casadei-Blecher) (mit Uwe Grimm)
Heute Abend Laß Die Uhr Zu Haus (Un Bacio Picolissimo) (Mescoli-Blecher) (mit Uwe Grimm)
08/64 19 607
Ich möcht' gern nach Copacabana (Joe Dixie=Hans Drechsler/Stefan Gommermann)
Wo wirst du morgen sein (Heinz Alisch/Walter Richter)
01/65 19 644
Die Tage vergeh'n in der Dämmerung (Horst Jankowski/ Bernd Rabe/Carl J. Schäuble)
Blue Musette (Bluesette) (Jean Baptiste Thielemans, Norman Gimbel/Charly Niessen)
1964 16298 auf Sampler „Die grosse Star- und Schlagerparade 1964/2. Ausgabe
Morgen hast du keine Sorgen (Today’s Teardrops) (Gene Pitney/Aaron Schroeder/Charly Niessen)
Ulla Richter
Telefunken
1966 55901
Im roten Licht (Heinz Alisch/Kalli Mennewisch)
Verzeih‘ mir die Tränen (Henry Mayer/Kurt Hertha)